Am Anfang ein paar Zahlen, um ein Gefühl für die Dimension zu bekommen: 1.600 Quadratmeter Räume, 15 Lehrsäle, 36 hauptamtliche Mitarbeiter und im vergangenen Jahr etwa 3.500 Teilnehmer in rund 70 unterschiedlichesn Seminaren – vom Erste-Hilfe-Ausbilder über den Feldkoch bis zum Notfallsanitäter. Das ist der Campus Hannover der Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen.

Aus ganz Deutschland kommen sie dorthin, um sich aus- und weiterbilden zu lassen. Nicht nur Johanniter, sondern auch von anderen Hilfsorganisationen, aus Feuerwehren, der Bundeswehr und von privaten Rettungsdiensten.

Christoph Life

Herzstück der Akademie ist die 500 Quadratmeter große SAN-Arena. Und dort gleich am Eingang steht er auch schon: Christoph Life. Der Helikopter (RTH) zum Üben. Ein Full-Scale-Luftrettungssimulator. Einzigartig in dieser Form und seit knapp zehn Jahren der Grund dafür, dass das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz regelmäßig seine Luftrettungs-Teams zu den Johannitern nach Hannover schickt. "Christoph Life ist unser Leuchtturm", sagt Kersten Enke, Leiter der Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen.

SAN-Arena

Mehr als 20 Notfallszenarien lassen sich in der SAN-Arena realitätsnah trainieren. Der Autounfall mit der Möglichkeit, das Dach des PKW abzunehmen, die Situation im Gleisbett, die Arbeit mit dem Schul-Rettungswagen, die Wohnung mit Küche und Schlafzimmer oder der Schockraum.

Alles, was in der SAN-Arena passiert, kann gefilmt werden. Das hilft bei der Auswertung. Das, was hakt, wird wieder und wieder geübt. Nicht nur Handgriffe und Technik – vor allem auch die Kommunikation zwischen den Helfern.

Wenn es um taktische Entscheidungen geht – etwa wo sich Helfer im Einsatzfall positionieren, wo sie zuerst hingehen, was sie dort tun und welche Lagemeldung sie abgeben, dann greifen die Johanniter seit neuestem auf die Unterstützung von 3D-Simulation zurück. Mit der VR-Brille bewegen sich die Teilnehmer in virtuellen Szenen, etwa in der Situation nach einem Flugzeugabsturz, einem Autounfall oder bei einem Amoklauf in einem Supermarkt.

"20 Minuten Eingewöhnung sind nötig", sagt Enke. Danach gehen die Teilnehmer intuitiv mit der Technik um. Vor allem aber nehmen sie die Situation als real war. Anders als in der Wirklichkeit lassen sich im virtuellen Raum Situationen verändern oder wiederholen. Für Übungszwecke ist das ein großer Gewinn. "Die Arbeit mit den VR-Brillen ist schon jetzt extrem hilfreich", so Enke. "Die Technologie wird aber auch ständig verbessert."

An dieser Verbesserung arbeitet die Johanniter-Akademie mit. Sie ist Partner des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts ViTAWiN, mit dem ein VR-Training für die Aus- und Weiterbildung in der interprofessionellen Notfallversorgung entwickelt und erprobt wird. Die Johanniter sind dabei zuständig für die Wirksamkeitsuntersuchung des Trainings.

So realistisch wie möglich

Zurück in der SAN-Arena: Im Schockraum geht es darum, Übergabesituationen zu trainieren. In der Mitte liegt ein Mann. Ein Simbodie. Lebensgroß, die Haut aus Silikon, alles sehr lebensnah. Enke beschreibt ihn routiniert und abgeklärt: "Der Unterschenkel lässt sich durch einen Amputatstumpf ersetzen, an den ein Blutungsgenerator angeschlossen wird." Zwei Liter Blut sind im Tank. Für angehende Rettungs- oder Notfallsanitäter ist es ein Segen, dass sie möglichst realitätsnah üben können, was im echten Leben bei klarem Kopf abgearbeitet werden muss.

Deshalb setzen die Johanniter bei den Verletzungsopfern in ihren Übungen auch nicht nur auf Schauspieler aus den eigenen Reihen. "Wir haben Kontakt zu einigen Senioren, die noch rüstig sind und sich gern zur Verfügung stellen", so Enke. Das schafft eine viel bessere Identifikation mit der Lage.

Die Profis brauchen die Realistische Unfalldarstellung (RUD), um während der Übung die notwendige Anspannung zu spüren. Im RUD-Raum nebenan lagern dann auch nicht nur bergeweise Klamotten, Schuhe und Schminkutensilien, sondern auch abgetrennte Körperteile, reichlich blutig. Die RUD-Truppe der Johanniter wird mitunter auch von extern gebucht, etwa von der Polizei.

Aktuell gibt es neun Notfallsanitäter-Klassen an der Johanniter-Akademie, drei Jahrgänge, insgesamt zwei zivile und eine Bundeswehrklasse. 17 bis 21 Schüler sind es pro Klasse. Nachwuchssorgen kennt die Akademie nicht. "Wir haben in der Notfallsanitäter-Ausbildung rund 20 Bewerber auf einen Platz", sagt Enke. Die Akademie kann also aussuchen.

Aktionsfläche auf der INTERSCHUTZ

Auf der INTERSCHUTZ organisiert die Johanniter-Akademie gemeinsam mit der Rettungsschule Niedersachen des Deutschen Roten Kreuzes sowie den Notfallsanitäterschulen der Berufsfeuerwehr Hannover und der der Malteser in Halle 26 eine Aktionsfläche für Rettungsschulen. Dort werden nicht nur die verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten im Rettungswesen vorgestellt, sondern auch das Simulationstraining mit virtueller Realität – selbstverständlich mit der Möglichkeit für Besucher, per VR-Brille in die Szene einer Großschadenslage oder der Notfallversorgung im virtuellen Raum einzusteigen.