In welcher Form haben Sie Gewalt im Arbeitsalltag erlebt?

Spät in der Nacht wurden wir zu einer hilflosen Person gerufen. Am Einsatzort empfing uns der Ehemann bereits sehr respektlos und beschimpfte uns. Die Beleidigungen haben wir anfangs noch ignoriert.

Als wir anfingen, die Patientin zu behandeln, wurden wir jedoch immer wieder von dem Mann behindert. Ihm ging alles nicht schnell genug. Plötzlich traf mich ganz unvermittelt von hinten ein Schlag in den Nacken.

Wie haben Sie reagiert?

Ich war natürlich erst einmal ganz perplex. Die Stimmung war von vornherein aufgeladen, aber ich habe nicht mit einem Übergriff gerechnet. Wir haben versucht zu deeskalieren. Allerdings ließ sich der Mann nicht beruhigen. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Polizei zu alarmieren.

Was passierte danach?

Wir haben Anzeige erstattet, aber das Verfahren wurde fallen gelassen. Ähnliche Erfahrungen teile ich mit Kolleginnen und Kollegen. Die Bereitschaft, Vorfälle grundsätzlich zu melden, ist noch immer gering. Das vorherrschende Gefühl ist, dass sich ohnehin nichts ändert, aber das ist falsch. Alle Fälle müssen zur Anzeige gebracht werden.

Ihre Erfahrung liegt einige Jahre zurück. Was hat sich seither getan?

Es ist schon paradox. In Umfragen gehören Feuerwehrkräfte zu den angesehensten Berufsgruppen. Im Alltag zeigt sich dann oft ein anderes Bild. Da ist es nicht weit her mit respektvollem Verhalten. Generell ist nach und nach eine etwas größere Sensibilität für das Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte entstanden. Allerdings sehen wir noch Luft nach oben. Gewaltprävention ist eine Daueraufgabe.

Das Thema Gewalt spielt in der Diskussion eine zunehmend größere Rolle. Spiegeln das auch die tatsächlichen Zahlen?

Gefühlt sind gewaltsame Übergriffe, ob verbal oder nonverbal, in den vergangenen Jahren gestiegen. Fest steht, jeder Fall ist einer zu viel. Die Einsatzkräfte helfen und stehen selbstlos für andere ein. Sie dürfen nicht zur Zielscheibe von Aggression werden. Sie verdienen unser aller Respekt und unsere Wertschätzung.

Eine Studie, die wir als komba gemeinsam mit der Unfallkasse und dem nordrhein-westfälischen Innenministerium herausgegeben haben, zeigt, dass 92 Prozent der Befragten bereits verbale Gewalt und 75 Prozent nonverbale Übergriffe erlebt haben. In den Fällen von körperlicher Gewalt sahen 83 Prozent der Betroffenen den Übergriff nicht kommen und machten damit identische Erfahrungen wie ich vor einigen Jahren.

Was braucht es, damit Helfende ihrer Arbeit sicher und gut nachgehen können?

Seit einigen Jahren haben wir als komba das Thema auf der Agenda. Inzwischen ist daraus zumindest für Nordrhein-Westfalen ein ganzes Aktionsbündnis gewachsen. Hier wurden und werden konkrete Maßnahmen diskutiert, um die Kolleginnen und Kollegen besser zu schützen. Wir befinden uns derzeit mitten in der Umsetzung. Der Aktionsplan wurde kürzlich veröffentlicht.

Gibt es Beispiele?

Zu den ersten bereits umgesetzten Maßnahmen gehört der Meldeerlass. Seit 2018 sind Einsatzkräfte in NRW dazu verpflichtet, Fälle von Gewalt und vorsätzlicher Beschädigung von Einsatzfahrzeugen und Geräten zu melden.

In den kommenden drei Jahren sollen weitere Maßnahmen schrittweise umgesetzt werden, damit Einsatzkräfte besser geschützt und mehr gewaltsame Übergriffe verhindert werden können. Gerade wird zum Beispiel an einer App gearbeitet, die solche Meldungen erleichtert.

Wie sieht es mit Ansprechpartnern für den Betroffenen aus?

Es soll nach dem Vorbild psychosozialer Unterstützungsteams eine Person dauerhaft in den Feuerwehren präsent sein. Ferner soll der Bereich Gewalt gegen Einsatzkräfte Eingang in die Gefährdungsbeurteilung der Betriebe und Unternehmen finden. Ein ganz wichtiger Baustein sind darüber hinaus passgenaue Aus- und Weiterbildungen von Führungs- und Einsatzkräften.

Mit einem ausgereiften und regelmäßig angepassten Schulungskonzept können die Kolleginnen und Kollegen präventiv im Umgang mit derartigen Gefahrenlagen geschult werden und entsprechende Handlungskompetenzen erlernen. Daran arbeitet derzeit die zentrale Ausbildungsinstitution für Feuerwehren in NRW, das Institut der Feuerwehr in Münster.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Aktionsbündnis ist wie gesagt auf drei Jahre angelegt. Jetzt müssen die Maßnahmen erst einmal in der Praxis gelebt werden. Für 2021 planen wir eine erste Auswertung, um zu sehen, was läuft gut und wo wir nachsteuern müssen. Gewalt gegen Einsatzkräfte ist ein Themengebiet, das uns noch länger beschäftigen wird. Darüber werden wir auch auf der INTERSCHUTZ berichten.

Zum wiederholten Male nimmt die komba gewerkschaft an der INTERSCHUTZ teil. Wieso?

Wir sehen die INTERSCHUTZ als wichtige Plattform. Als Feuerwehr und Rettungskräfte erfahren wir hier alles rund um unsere Themen. Als gewerkschaftliche Vertreterinnen und Vertreter bekommen wir Einblicke, die wir auch den Kolleginnen und Kollegen weiterberichten können. Wir schätzen die Vernetzungsmöglichkeiten und nutzen die Messe auch, um unsere Themen bekannter zu machen.

Neben der Gewalt gegen Einsatzkräfte gehören beispielsweise auch die Nachwuchskräftegewinnung und der Gesundheitsschutz zu wichtigen Feldern, die wir im Sinne der Kameradinnen und Kameraden vorantreiben möchten.

komba gewerkschaft mit Aktionsplan zum Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte

Die komba gewerkschaft ist die Fachgewerkschaft für Beschäftigte der Kommunen, der Länder sowie der privatisierten Dienstleistungsunternehmen unter dem Dach des dbb beamtenbund und tarifunion. Im Fachbereich Feuerwehr und Rettungsdienst sitzen Einsatzkräfte, die sich für die Belange der Kolleginnen und Kollegen in Gesprächen mit Arbeitgebern und Dienstherren, mit Politik und Verbänden einsetzen. Erfahren Sie mehr über die Arbeit der komba gewerkschaft auf: www.komba.de

Aktionsplan und Studie zur Gewalt gegen Einsatzkräfte der komba gewerkschaft nrw abrufbar unter:

Aktionsplan "Gemeinsam gegen Gewalt"

Gewalt gegen Einsatzkräfte - Studienergebnisse