Auch wenn das öffentliche "Live"-Event unter anderem mit Vertretern der politischen Spitze des Landes Berlin nun nicht stattfinden kann: "Trotz der Corona-Krise wird der übrige Terminplan für Entwicklung, Fertigung und Test des Projektfahrzeugs planmäßig eingehalten", sagt Karsten Göwecke, Ständiger Vertreter des Berliner Landesbranddirektors. Er ist zugleich Vorsitzender des für Fahrzeuge und technische Hilfeleistung zuständige Referats 6 der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb).

Anfang kommenden Jahres, im INTERSCHUTZ-Jahr 2021, soll laut Plan ein einjähriger Probebetrieb beginnen. Das Ende eines langen Weges von der ersten Idee bis zur Verwirklichung ist in Sicht. "Mehr als zehn Jahre ist es her, seit wir gemeinsam über ein völlig neuartiges Feuerwehrfahrzeug nachgedacht haben, das den Anforderungen der Zukunft gewachsen sein sollte", sagt Karsten Göwecke. Er erinnert sich noch gut an erste Gespräche mit dem inzwischen verstorbenen, damaligen Vorstandsvorsitzenden des österreichischen Feuerwehrgeräteherstellers Rosenbauer, Julian Wagner. Aus langen Überlegungen, Beratungen, Konferenzen und Vorplanungen entstand schließlich das Projekt eLHF – "Elektrisches Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug" (Projektlaufzeit: 03/2018 bis 01/2022). Es wird im Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (BENE) gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und des Landes Berlin (Förderkennzeichen 1213-B4-N).

Übergeordnetes Ziel war von Beginn an "die Beschaffung und modellhafte Erprobung eines innovativen Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuges, das mit einem elektrischen Antrieb für den Fahrbetrieb und für den Betrieb der Löschtechnik ausgestattet werden soll". Dabei geht es laut Karsten Göwecke um das komplette Einsatzspektrum der Zukunft ebenso wie um Dinge der Betriebssicherheit und Ergonomie – und um die Umweltfreundlichkeit. Bereits vor einem Jahr wurde die Berliner Feuerwehr im Rahmen der Preisverleihung zum "Klimaschutzpartner des Jahres 2019" für das "eLHF"-Projekt in der Kategorie "Herausragende Projekte öffentlicher Einrichtungen" ausgezeichnet.

Kurz zuvor schon hatte die Firma Rosenbauer als Entwicklungspartner der Berliner Feuerwehr die Konzeptstudie "Concept Fire Truck – CFT" präsentiert. Sie zeigte technische Lösungen, die bereits mögliche Antworten auf die Zukunftsfragen der Feuerwehren geben sollen. Der CFT, sozusagen der "Erlkönig" der möglichen neuen Generation von Feuerwehrfahrzeugen, erfüllte zwar noch nicht die hohen Anforderungen an ein modernes und leistungsfähiges Löschfahrzeug – dennoch präsentierte er die technische Basis für die Entwicklung des eLHF. Auf den Straßen der Hauptstadt konnten sich damals bereits Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralen Service Fahrzeuge und Geräte bei einer Probefahrt von der Funktionsfähigkeit des CFT überzeugen.

Ziel des Projektes ist es, den Regeleinsatzdienst des Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuges zu mehr als 80 Prozent in einem rein elektrischen Betriebsmodus darzustellen. In erster Linie soll ein im Fahrzeug verbauter Batteriespeicher genutzt werden, der in der Bereitschaftszeit des Fahrzeugs auf der jeweiligen Feuerwache über ein Schnellladesystem geladen wird. Der Batteriespeicher soll die Einsatzfahrten und den Betrieb der gesamten Löschtechnik – wie die Feuerlöschkreiselpumpe und die Druckluftschaumanlage – auf der Einsatzstelle rein elektrisch sicherstellen.

"Wir entwickeln mit dem Projekt ein urbanes Fahrzeug für die Zukunft. Etwas Vergleichbares gibt es weltweit noch nicht", berichtet Karsten Göwecke. "Das Interesse ist international groß. Schon jetzt haben sich zum Beispiel Interessenten aus den USA gemeldet." Die Berliner Feuerwehr betont, dass sie mit dem Vorhaben Verantwortung für den Klima- und Umweltschutz übernimmt und zugleich die Forschung und die Entwicklung elektrischer Antriebe von Feuerwehrfahrzeugen voranbringt. Das eLHF werde, wie es heißt, gegenüber anderen Feuerwehrfahrzeugen eine Schadstoffreduktion von Ruß, Kohlenstoffdioxid- und Stickoxidausstoß erwirken und damit eine erheblich geringer schadstoff- und lärmbelastete Umgebung in den Fahrzeughallen und auf Einsatzstellen schaffen: "Der elektrische Antrieb, verbunden mit der Nutzung von Ökostrom, trägt zum Klimaschutz in Berlin bei."

Nach den derzeitigen Plänen soll das neue Fahrzeug in drei Zeitabschnitten auf drei unterschiedlichen Feuerwachen im Berliner Stadtzentrum zur Erprobung in Dienst gestellt werden. Dabei ist an die Standorte Schöneberg, Suarez und Mitte gedacht. Während des Probebetriebs sollen Erkenntnisse aus dem Einsatz elektrischer Antriebe für den Fahrbetrieb und die Löschtechnik gesammelt und ausgewertet werden. Wichtigste Fragen: Kann das mit einem alternativen Antrieb ausgestattete Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug erfolgreich in den Einsatzablauf integriert werden, und ist die Umstellung aller Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuge die Perspektive?

Im Rahmen des Projekts wird mit dem Betrieb des elektrisch betriebenen Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuges gleichzeitig auch die notwendige Ladeinfrastruktur für den Betrieb des Fahrzeuges zur Verfügung gestellt und getestet. Dazu werden leistungsfähige Schnellladesysteme analysiert, ausgewertet und anschließend den Anforderungen entsprechend beschafft.

Mit mehr als 86.000 Fahrzeugalarmierungen im Jahr sind die Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuge bei der Berliner Feuerwehr einem besonderen Maß an Belastungen ausgesetzt. Bislang sind die bis zu 14 Tonnen schweren Fahrzeuge für den Fahrbetrieb und zur Nutzung von Nebenantrieben mit Dieselverbrennungsmotoren ausgestattet.

Übrigens: Das eLHF beschert zwar eine Weltpremiere. Doch reine Löschfahrzeuge mit Elektroantrieb gab es schon vor über 100 Jahren. So hatte seinerzeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Königliche Branddirektor Maximilian Reichel die Motorisierung der Berliner Feuerwehr vorangetrieben und Versuche mit elektrischen Automobilen unternommen. 1908 war der erste Vier-Fahrzeug Elektro-Löschzug im Einsatzdienst mit dem elektrischen "Lohner-Porsche Radnabenantrieb". Zwei Jahre später gab es bereits vier solcher Löschzüge.