Die Wissenschaft vom Waschen
Persönliche Schutzausrüstung verdient nur dann ihren Namen, wenn sie auch wirklich schützt. Professionelle Wäsche und regemäßige Imprägnierung sind die Voraussetzung dafür. Für die Stories of INTERSCHUTZ haben wir mit Dr. Jochen Kuhl und Axel Meyer, den beiden Geschäftsführern der Meyer und Kuhl Spezialwäschen GmbH, gesprochen über Hygiene in Zeiten des Coronavirus, über Systemrelevanz, Asbest-Kontamination und Wäschesäcke, die ihre Gefahrstoff-Fracht für sich behalten.
28. Apr. 2020Teilen
Sie waschen Einsatzbekleidung. Wie muss man sich das vorstellen: Feuerwehren, Rettungsdienste, THW oder auch Polizei aus ganz Deutschland und Österreich machen regelmäßig Wäschepakete fertig und schicken diesen nach Hardegsen in Südniedersachsen?
Dr. Jochen Kuhl: Ja, das stimmt. Unsere Kunden schicken uns ihre Einsatzbekleidung entweder direkt nach den Einsätzen oder wenn Pflege- und Reparaturarbeiten notwendig werden. Wobei die reine Wäsche natürlich nur ein Teil unserer Arbeit ist: Vielmehr sind wir ein kompletter Service-Dienstleister, der sich um die Instandhaltung der Einsatzkleidung kümmert.
Neben der einfachen Reinigung imprägnieren, reparieren und warten wir persönliche Schutzausrüstung. Seit kurzem ist auch die Dekontaminierung von schadstoffbelasteter Schutzausrüstung dazugekommen. Dieses Verfahren ist weltweit einmalig und wurde von uns erst kürzlich zur Marktreife gebracht.
Dauert das nicht zu lange, wenn die Wäsche erstmal auf Reisen gehen muss?
Axel Meyer: Der Vorteil an unserem Konzept ist, dass wir sowohl in Großstädten als auch in den entlegensten Gebieten durch Kooperation mit unserem Logistikpartner die Einsatzbekleidung abholen und in kurzer Zeit wieder zurückliefern können. Unser Auftragsdurchlauf liegt bei maximal 48 Stunden. Die Gesamtlieferzeit liegt unterhalb einer Woche, bis der Kunde seine PSA wiederbekommt. Das ist oftmals schneller als die eigene Wäsche oder die Wäscherei um die Ecke – und sicherlich professioneller.
Wie bedeutend ist der Bereich Einsatzbekleidung für Ihr Geschäft, wie groß ist der Anteil?
Kuhl: Als Spezialwäscherei waschen wir ausnahmslos nur Funktionstextilien, also Textilien, die einen Mehrschichtaufbau haben und damit in den Wasch- und Imprägnierprozessen aufwendig sind und spezielle Expertise erfordern. Dies unterscheidet uns von gewöhnlichen Wäscherein, die das oftmals nur nebenbei mitmachen.
Die Einsatzbekleidung stellt unser größtes Geschäftsfeld dar und hat ordentliche Wachstumsraten. Axel Meyer ist selbst Kamerad der Feuerwehr. Wir kennen und verstehen die logistischen Strukturen in den Wehren und möchten uns mit unserem Service als verlässlicher Teil der Einsatzkette etablieren.
Wie oft sollte PSA gewaschen werden? Und immer professionell oder reicht auch mal die Heimwäsche?
Meyer: Die PSA sollte so oft wie nötig – also meisten nach Verschmutzung, Schwitzen oder Kontamination –gewaschen werden, aber nicht öfter. Jede Reinigung verkürzt die Lebenszeit. Eine Heimwäsche verbietet sich, da nur in einer professionellen Wäsche die Einsatzbekleidung geschont und auf die jeweilige Verschmutzung oder Kontamination optimal behandelt wird. Ganz zu schweigen von der Gefährdung durch (Rest-)Schadstoffe auf der Einsatzbekleidung.
Lässt sich messen, dass Ihre Wäsche schonender ist?
Kuhl: Bei einem Waschvergleich, den ein PSA-Hersteller mit uns durchgeführt hat, konnte nachgewiesen werden, dass PSA, die bei uns 75 Mal gewaschen wurde, nicht so abgenutzt war wie die gleiche PSA nach zehn Wäschen in einer Haushaltswaschmaschine. In einer anderen Wäscherei war der Verschleißgrad etwa bei 30 Wäschen erreicht. Unser Verfahren trägt also auch dazu bei, die Gesamtkosten für eine PSA – betrachtet auf die ganze Lebenszeit – zu minimieren, da sie schlichtweg doppelt so lange hält.
Wieso können Sie das so viel besser? Waschen ist doch kein Hexenwerk?
Meyer: Wir haben eigens entwickelte Waschprozesse zur pflegenden und ausreichenden Reinigung der Einsatzbekleidung. Wir dosieren erforderliche Waschmittel und Waschhilfsmittel exakt abhängig vom Gewicht, der Verschmutzung und der Textilbeschaffenheit. Das ist schon fast eine Wissenschaft und braucht langjährige Erfahrung.
Zum Waschprozess gehört bei uns auch eine fachgerechte Sichtung auf mögliche Schäden, die eine Verwendung der Einsatzbekleidung nicht mehr erlauben würden. Das alles ist im Heimbetrieb kaum möglich.
Wie sieht es aktuell bei Ihnen aus? Welche Auswirkung haben die Covid-19-Einsätze auf Ihr Geschäft?
Kuhl: Wir haben uns auf die Krisensituation eingestellt und unsere vorhandenen Hygienemaßnahmen nochmal verschärft. Für eine Spezialwäscherei wie uns ist die Infektion mit Viren sozusagen normal. Neben Covid-19 gibt es natürlich auch weitere hochinfektiöse Viren, Pilzsporen oder Bakterien, mit denen wir umgehen müssen. Der Sars-CoV-2-Virus hat wegen seines hohen Infektionsgrades vor allem Einfluss auf unsere Abläufe.
Es gibt beispielsweise keine direkten Kontakte mit Betriebsfremden mehr. Verdachtswäsche – und damit nahezu jede Einsatzbekleidung – wird in Schutzkleidung in die Waschmaschine verbracht, die Mitarbeiter wahren zueinander einen Abstand von zwei Metern und wir arbeiten in getrennten Schichten, um auch im Fall einer Infektion noch einsatzfähig zu sein.
Kommen auch mehr Aufträge?
Kuhl: Bei normalen Funktionstextilien im Bereich Outdoor ist die Auftragslage aktuell stark zurückgegangen. Im Bereich der Einsatzbekleidung haben wir dagegen vermehrt Aufträge, insbesondere zu unseren Hygienelösungen für die Einsatzkräfte. Aktueller Top-Seller ist unser PSA-Wäschebeutel zum Einsenden kontaminierter Textilien.
Wie muss denn Einsatzkleidung von Feuerwehr- und Rettungskräften konkret behandelt werden, nachdem diese mit einem Coronavirus-Infizierten Kontakt hatten?
Meyer: Hygiene, Hygiene, Hygiene! Es gilt noch mehr als sonst, die Einsatzstellenhygiene zu beachten. Textilien sollten zum sicheren Transport in die Wäscherei sofort in spezielle wasserlösliche Säcke oder Wäschebeutel verbracht werden. Gerade noch feuchte Textilien können Virenträger sein. Die Rettungskräfte sollten sich zudem ausreichender Hygienemaßnahmen unterziehen. Wir schließen uns hier den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts an, wonach Textilien und Wäsche einem desinfizierenden Wäschedesinfektionsverfahren gemäß RKI-Liste zugeführt werden sollen.
Aktuell sind sich die Bundesländer in Deutschland nicht ganz einig, ob Wäschereien systemrelevant sind und also ihren Betrieb in Zeiten der Kontaktsperren aufrechterhalten dürfen. Wie sehen Sie das? Und haben Sie in einigen Ländern Schwierigkeiten?
Kuhl: In der Tat ist hier eine bundeseinheitliche Regelung notwendig, um auch langfristig die ungehinderte Versorgung unserer Einsatzkräfte zu gewährleisten. Die Reinigung der Einsatzbekleidung sichert die Einsatzfähigkeit der Rettungskräfte. Wenn diese keine saubere PSA mehr haben, können sie auch nicht in den Einsatz. Würden Einsatzkräfte durch mangelnden Schutz reihenweise ausfallen oder sogar noch zur Ausbreitung des Virus beitragen, wäre dies absolut verheerend.
Ich bin mir aber sicher, dass kein denkender Mensch in entsprechender Entscheidungsposition zu einem anderen Ergebnis kommt. Trotzdem würden wir eine klare, verbindliche Regelung natürlich sehr begrüßen, um die Systemrelevanz unserer Arbeit festzuschreiben. Zwar haben wir aktuell noch keine Schwierigkeiten, dies kann sich aber mit der fortschreitenden Ausbreitung der Infektionen schnell ändern.
Wie die eigentliche Kleidung gewaschen wird, kann man sich noch gut vorstellen: in der Waschmaschine. Wie reinigen Sie Helme, Gürtel oder Schuhe?
Meyer: Wir haben speziell für uns umgebaute Industrie-Waschmaschinen für Helme und Schuhe. Sie reinigen ebenfalls im Waschverfahren wie Textilien, allerdings sehen sie in der Tat völlig anders aus als eine normale Waschmaschine.
Bekannt sind Sie eigentlich für das von Ihnen und dem Prüflabor CRB Analyse Service GmbH entwickelte Verfahren zur Wäsche von PSA, die mit Asbest verunreinigt wurde. Bitte erklären Sie doch kurz, was Sie da entwickelt haben.
Meyer: Brennt ein Gebäude, das zwischen 1960 und 1990 erbaut wurde, so enthält dies mit hoher Wahrscheinlichkeit Asbest. Die Kontaminationsgefahr der Einsatzkräfte ist absolut real und allgegenwärtig. Wir haben eine Lösung für dieses Problem entwickelt, das viel zu oft unterschätzt und ignoriert wird. Asbestosen als Berufskrankheit müssen aufwändig von Betroffenen nachgewiesen werden, was in der Praxis oft schlichtweg nicht gelingt. Wir möchten hier auf die Initiative Feuerkrebs.de verweisen.
Über die wir auch in unseren Stories of INTERSCHUTZ schon berichtet haben...
Meyer: Kurz gesagt: Unser Verfahren stellt sicher, dass die PSA, die bei einem Asbestbrand getragen wurde, zu über 99,9 Prozent von den zwei am häufigsten in Deutschland vorkommenden Asbestarten gereinigt werden kann. Die Restmengen gelten als gesundheitlich unbedenklich. Mittlerweile bieten wir ein Testset zur Probenahme am Einsatzort an.
Die Teststreifen werden gemeinsam mit der Wäsche an uns eingesandt und wir können so mit dem Labor mögliche Kontaminierungen feststellen und entsprechend reagieren. Unsere Empfehlung ist es, auch schon bei einem reinen Verdacht das Verfahren anzuwenden.
Was sind weitere Gefahrenstoffe, die sich nur mit Spezialwäsche rückstandsfrei entfernen lassen?
Kuhl: Neben Asbest arbeiten wir gerade mit Hochdruck an der rückstandsfreien Entfernung weiterer krebserregender Fasern. Dazu gehören alle lungengängigen Fasern, also solche, die eingeatmet werden können, wie beispielsweise Carbonfasern oder künstliche Mineralfasern wie Glas- oder Steinwolle, wobei ältere Wollen ebenfalls als krebserregend gelten. Aktuell kooperieren wir eng mit weiteren Laboren, Forschern und Herstellern, um weitere Nachweise rückstandsfreier Entfernung von Gefahrenstoffen zu erbringen. Wir sind zuversichtlich, noch in diesem Jahr weitere Ergebnisse veröffentlichen zu können.
Es ist aber ja nicht nur die Wäsche an sich, auf die es ankommt. Auch der Transport kontaminierter Ausrüstung zählt. Und auch da haben Sie eine Innovation auf den Markt gebracht.
Kuhl: Ja, das ist richtig. Der MuK PSA-Wäschebeutel dient zum Einpacken von kontaminierter Einsatzbekleidung gleich an der Einsatzstelle. Dann wird der verschlossene Wäschebeutel in einer Umverpackung wie etwa einem Karton bis in unsere Wäscherei transportiert.
Wie gehen Sie selbst in der Wäscherei mit der kontaminierten Kleidung um? Wie schützen sich Ihre Mitarbeiter?
Kuhl: Der verschlossene PSA-Wäschebeutel wird direkt in unsere Industrie-Waschmaschine gegeben, ohne dass andere Personen oder unsere Mitarbeiter die PSA noch einmal anfassen müssen. Sie kommt gereinigt wieder aus der Maschine, der Wäschesack öffnet sich selbständig beim Waschen. Dies dient dem Schutz unserer Mitarbeiter und vermeidet den ansonsten notwenigen Aufwand.
Wie schätzen Sie die Lage in Deutschland ein: Gibt es genug Kenntnisse über die Reinigung von PSA? Und werden diese in der Praxis auch ausreichend umgesetzt?
Meyer: Die professionelle Reinigung der Einsatzbekleidung ist zurzeit ein vieldiskutiertes Thema, was aber noch nicht bei allen Kameraden und Verantwortlichen der Wehren angekommen ist. Teilweise wird gerade hier gespart und eben keine Profis für die Wäsche beauftragt. Heimwäsche ist definitiv der falsche Weg, aber auch viele Feuerwehrtechnische Zentren und Wäschereien, die PSA nur gelegentlich reinigen, sind ehrlichweise mit der Wäsche überfordert.
Professionelle Wäschereien wie wir schonen die PSA bei gleichzeitiger Berücksichtigung der geforderten Reinigungswirkung belasteter PSA. Wir haben über 50 eigenentwickelte Waschprogramme auf unseren Industriemaschinen und sind somit in der Lage, individuell auf Verschmutzungsgrad Kontamination, Infektion und so weiter zu reagieren.
Was sind die zentralen Botschaften, die Sie zur INTERSCHUTZ mitbringen werden?
Kuhl: Wir werden unsere gesamten Lösungen zur professionellen Pflege von PSA vorstellen. Wir reinigen die gesamte PSA von Helm, Flammschutzhaube, Jacke, Handschuhe, Hose und Stiefel. Mit auf unserem Stand wird die CRB Analyse Service GmbH, das in Deutschland führende Labor für Asbestanalysen sein, um die Thematik der Asbestverunreinigung von PSA aber auch die Reinigungsmöglichkeiten sowie unser Testverfahren darzustellen.
Gemeinsam mit unseren Partner-Herstellern – zum Beispiel DuPont, S-Gard, Rosenbauer, Viking oder Gore-Tex genannt – werden wir jeweils deren Produktneuheiten und die Eigenschaften bei der Pflege vorstellen. So zeigen wir beispielsweise gemeinsam mit DuPont ein neues Gewebe für Einsatzjacken, die im Test intensive Waschversuche durchlaufen haben. Dabei wird auch der Vergleich zur haushaltsüblichen Wäsche eine Rolle spielen.
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