Bund, Länder und Gemeinden müssen nach Ansicht der Einsatzkräfte im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz dringend zusammenkommen, um die Herausforderungen in der Zukunft lösen zu können. Das ist die Botschaft der 69. Jahresfachtagung der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb), die noch bis zum 17. Mai 2023 in Münster stattfindet. Zugleich muss nach Ansicht der Experten die Bevölkerung zunehmend in der Fähigkeit zur Selbsthilfe gestärkt werden.

„Man ist sehr an Zuständigkeiten verhaftet und nicht lösungsorientiert“, so Aschenbrenner. „Wenn ich Probleme lösen will, dann muss ich auch mal die bekannten Strukturen hinter mir lassen und fragen, was getan werden muss, um morgen eine Lösung zu haben.“ Dabei gebe es große Hemmnisse. Das möge vielleicht daran liegen, dass „häufig nicht die operativen Kräfte diejenigen sind, die zusammenarbeiten“. Vielmehr würden über Juristen und Verwaltungsstrukturen zunächst einmal ganz viele Formalien durchlaufen, bevor man zum Ziel komme. „Das dauert sehr lange, macht Ergebnisse in der Regel aber auch nicht besser“, kritisierte der vfdb-Präsident. Die Jahresfachtagung sei erneut zur wegweisenden Veranstaltung der Branche für Transfer von Wissen in die Praxis geworden. Aschenbrenner: „Uns geht es darum, den Dialog zwischen Forschung und Entwicklung, Herstellern und Anwendern zu unterstützen und zu intensivieren.“

Einsatzkräfte eine der wichtigsten Säulen

Lobende Worte zu den Leistungen der aktiven Einsatzkräfte hatten zur Eröffnung des dreitägigen Kongresses Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul und Münsters Oberbürgermeister Markus Leve gefunden. Leve, der auch Präsident des Deutschen Städtetages ist, nannte die Feuerwehren als „eine der wichtigsten Säulen dafür, dass unsere Städte funktionieren. Innenminister Reul sagte: „Was Sie leisten, ist unbeschreiblich.“ Fassungslos sei er über Angriffe auf Einsatzkräfte. Zugleich hob er die Bereitschaft vieler Menschen, auch von Spontanhelfern, hervor, sich „ins Zeug zu legen“.

Hochrangige Konferenz

In rund 50 Vorträgen beleuchteten die Referenten das von der vfdb betreute große Spektrum in den Bereichen Schutz, Rettung und Sicherheit. Erstmalig während einer Fachtagung gab es einen „Polit-Talk“, in dem neben dem Bundestagsabgeordneten Leon Eckert auch die Landtagsabgeordneten Rüdiger Kauroff aus Niedersachsen und Verena Schäffer aus Nordrhein-Westfalen sowie Katastrophenschutz-Experte Benno Fritzen diskutierten.

„Wir haben das neue Format eingeführt, damit das, was hier fachlich besprochen wird, auch zur Politik weiter vordringt“, betonte Dirk Aschenbrenner. „Herausgekommen ist, dass – wie erwartet – Lösungen für die Herausforderungen im Bevölkerungsschutz nur schwer zu finden sind, wenn alle in ihrem System bleiben.“ In der anschließenden Plenarsitzung appellierten Teilnehmer an die Politik, künftig „einfach mal auf die Fachleute“ zu hören. Mit „Sonntagsreden“ sei es nicht getan.

Begleitende Fachausstellung

Bei der begleitenden Ausstellung zeigten die knapp 40 Aussteller, wie z.B. Dräger, Texport, MSA, Eurocommand und viele mehr den 650 Teilnehmern Ihre neuesten Entwicklungen, Lösungen und Produkte in der Gefahrenabwehr. Dabei bilden die Teilnehmer einen bunten Mix aus Wissenschaft, Industrie, freiwilligen Feuerwehren, Berufsfeuerwehren, Referendaren und Studierenden.

Motto „Können wir uns auch selbst helfen?“

Das Motto der Fachtagung lautete in diesem Jahr: „Können wir uns auch selbst helfen?“. Für die Vorsitzende des Technisch-wissenschaftlichen Beirats der vfdb, Anja Hofmann-Böllinghaus, gibt es, wie sie berichtete, auf die Fragestellung eine deutliche Antwort, die jedoch mit einem "aber" verbunden sei. „Wenn es darauf ankommt, können sich die Menschen helfen. Jedoch müssen sie auch dazu angeleitet werden und die nötigen Informationen bekommen", so die vfdb-Vizepräsidentin. „Das beginnt im Grunde schon mit der Erste-Hilfe-Ausbildung im Schulalltag. Auch später: Die Menschen müssen wissen, dass nicht immer ein Rettungswagen gerufen werden muss. Allerdings müsse dafür auch die Infrastruktur im Gesundheitswesen stimmen, so dass niederschwellige Hilfe auch woanders zu bekommen sei.

vfdb bezieht Stellung

Diskutiert wurde am Rande der Jahresfachtagung auch ein Positionspapier der vfdb zur erforderlichen Reform der Notfallversorgung. Die Arbeit war vor wenigen Tagen gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz und der Johanniter-Unfall-Hilfe – maßgeblichen Akteuren im Rettungsdienst – sowie dem Arbeitskreis Notfallmedizin und Rettungswesen e.V. an der Ludwig-Maximilians-Universität München vorgestellt worden.

Großen Beifall gab es während der Fachtagung für die Gewinner des Excellence-Awards durch die vfdb-eigene Stiftung SafeInno. Die Preise gehören zu den höchsten Auszeichnungen für besondere Arbeiten im Bereich der Gefahrenabwehr. Sieger sind diesmal: Marie-Claire Ockfen, Wuppertal in der Kategorie „Besondere organisatorische Leistung“, Dr. Lisa Sander, Hannover, in der Kategorie „Besondere wissenschaftliche Leistung“ und Dr. Jonas Schubert, Dresden, in der Kategorie „Besondere Leistung in Forschung und Entwicklung“.

Unter großem Beifall würdigte Präsident Aschenbrenner während der Fachtagung die Verdienste des langjährigen vfdb-Generalsekretärs Dirk Oberhagemann, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Sein Nachfolger ist Roman Peperhove.

Dirk Aschenbrenner war am Vortrag nach zehn Jahren zum dritten Mal in seinem Amt bestätigt worden. Ebenso wurde Vizepräsidentin Anja Hofmann-Böllinghaus einstimmig wiedergewählt.