Für die Stories of INTERSCHUTZ haben wir mit Jens Sternheim gesprochen. Er war bis 2009 Leiter des Amtes für Katastrophenschutz des Landes Schleswig-Holstein und ist seitdem Vorsitzender des Bund/Länder-Expertenkreises "Munition im Meer".

Herr Sternheim, Krieg auf deutschem Boden ist sehr lange her. Wie akut ist das Problem Kampfmittel heute?

Der Waldbrand von Lübtheen, der Fund vermeintlichen Weißen Phosphors aus Brandbomben am Strand von Scharbeutz/Ostsee und gelber "Rauch" aus einem Bohrloch im Helgoländer Südhafen – obwohl seit dem 1. Weltkrieg über hundert Jahre vergangen sind und wir bald zum 75. Mal des Endes des Zweiten Weltkriegs gedenken dürfen, vergeht doch kaum eine Woche ohne Meldungen von Kampfmittelfunden in Deutschland. Relikte der Kriege des letzten Jahrtausends geben also bis heute Anlass zur Alarmierung.

Über welche Größenordnungen sprechen wir da im Bereich "Munition im Meer"?

Es lagern 1,6 Millionen Tonnen alte Munition allein in deutschen Meeresgewässern. Viele tausend Tonnen mehr in Wäldern, Seen, Flüssen und Talsperren.

Worin genau besteht die Aufgabe des Expertenkreises?

Gott sei Dank leben viele Feuerwehrleute von heute ohne eigene Kriegserlebnisse. Meine Aufgabe sehe ich darin, unseren Einsatzkräften den Zugang zu Informationen über diese verborgene Gefahr zu erschließen. Denn werden Kampfmittel gefunden, ist die Feuerwehr gefragt: am Ereignisort, für Evakuierungen oder als Sicherheitswache.

Diese Aufgaben wird ihr so schnell niemand abnehmen. Nur informierte Führungs- und Einsatzkräfte werden angemessene Maßnahmen veranlassen und den erwarteten Schutz bereitstellen.

Wie genau gehen Sie dabei vor? Und wie unterscheidet sich die Lage in Nord- und Ostsee?

Die Lagefeststellung steht am Anfang eines beherrschbaren Einsatzes. Und so werden auch die Konsortialpartner des europäisch finanzierten Projektes "North Sea Wrecks" beginnen, mit System Licht in das Dunkel der Altlasten am Grunde der Nordsee zu bringen. Ihr Ziel ist klar: Der Wissensstand zur Ostsee soll auf das westlich gelegene Meer übertragen werden.

Wer koordiniert diese Arbeit? Wo laufen die Fäden zusammen?

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) kümmert sich seit vielen Jahren um die Professionalisierung der planerischen Aufgaben auf diesem Gebiet. Die Universität der Bundeswehr bietet einen entsprechenden Masterstudiengang an. Es bleibt aber noch sehr viel zu tun.

Kompetenzen aus ganz unterschiedlichen Bereichen sind beim Thema "Munition im Meer" gefragt. Wie bilden Sie das auf der INTERSCHUTZ ab?

Auf unserem Stand können die Besucher unser Team von Meeresforschern, Biologen, Toxikologen, Historikern und IT-Experten auf ihrer Suche nach Fakten zu Wracks an den Grund der Nordsee begleiten. Ein Team des Deutschen Schifffahrtsmuseums Bremerhaven wird die Geschichte der einst stolzen Kreuzer, Tender und Boote näherbringen, die heute beladen mit tausenden Granaten, Bomben, Minen und giftigem Schiffsbrennstoff am Grunde der Nordsee ruhen.

Tief im Meer ist es sehr dunkel. Wie bringen Sie für die Besucher der INTERSCHUTZ dort Licht hinein?

Mit modernster Meerestechnik gewonnene Abbildungen aus dem Skagerrak zeigen beispielsweise wie "Senfgas", zäh wie Knetgummi, aus Rostlöchern von Chemiewaffen quillt.

Auch der gewaltige Einsatz zur Suche von Seeminen im Sediment wird gezeigt, um Gefahren für Menschen abzuwenden, die auf Offshore-Baustellen Windenergieanlage errichten oder Leitungen im Meeresboden verlegen.