Gerätewagen Sanität

Seine Feuertaufe hat er schon während des Starkregen-Katastropheneinsatzes im Ahrtal bestanden – auf der INTERSCHUTZ wird er zum ersten Mal einem großen Publikum vorgestellt: Die Johanniter aus Niedersachsen und Bremen haben einen neuartigen „Gerätewagen Sanität" entwickelt. Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Fahrzeug der JUH nur durch ein kleines Fahrerhaus. Anstelle einer sechssitzigen Truppkabine finden in dem Zehntonner nur Fahrer und Beifahrer Platz. Doch der Zehntonner hat es buchstäblich in sich. Außerdem: An der Entwicklung des GW Sanität JUH waren neben hauptamtlichen Kräften federführend Ehrenamtliche beteiligt.

Seine Kollegin Kathrin Jahns, Projektleitung GW SAN und ehrenamtlich im JUH-Ortsverband Hildesheim tätig, ergänzt: „Viele Ideen und Erfahrungen, die ehrenamtliche Bevölkerungsschützer der Johanniter in den vergangenen Jahren gesammelt haben, sind in das neue Fahrzeug mit eingeflossen und umgesetzt worden.“

In nur zwei Jahren von der Planung zur Umsetzung

Insgesamt wurden in den vergangenen Monaten zwölf dieser Fahrzeuge neuen Typs in den Dienst gestellt. Erste Planungsgrundlagen wurden bereits 2018 gelegt. „Im Wesentlichen ging es uns um ein effektives Beladungskonzept und die Optimierung des „Personalbedarfs“, erläutert Thorsten Ernst. Grundlage für das Lastenheft des neuen GW-San JUH waren die umfangreichen Erfahrungen der Johanniter-Bevölkerungsschützenden aus verschiedenen Einsätzen. Da der Markt kein geeignetes Fahrzeug zu bieten hatte, haben sich die Johanniter für eine Neuentwicklung entschieden.

Zusammen mit einer Firma aus der Region wurde das neue Konzept umgesetzt. Ende 2019 gab es seinen ersten Entwurf. Im Juli 2020 rollte der erste Prototyp aus den Werkshallen im niedersächsischen Elze.

Vorteile durch neues Planungskonzept

Das neuartige Beladungskonzept sieht vor, dass das Material auf Rollwagen nach Bereichen wie beispielsweise Infusion, Trauma und Atmung geordnet ist. Dazu kommen Rollcontainer, bestückt mit Zelt- und Sanitätsmaterial sowie alles für die Sauerstoffversorgung. Die mit bis zu 259 Kilogramm beladenen Rollwagen können von nur einer Person bewegt und abgeladen werden. Die sechs Rollwagen finden im hinteren Teil des Fahrzeuges Platz.

Ein Teil der Rollwagen ist aufgebaut wie die Rollwagen, die aus Notaufnahmen und Intensivstationen bekannt sind. Den Einsatzkräften wird somit eine schnelle Orientierung im Einsatz ermöglicht – unter anderem durch Farbkennungen. Abgeladen können die Notfallwagen als gesamte Einheit an einem Behandlungsplatz eingesetzt werden. Das Material steht schnell zur Verwendung bereit. Zur Vereinfachung der Abläufe wurde eine zentrale Sauerstoffversorgung der Patienten geplant und umgesetzt. Zudem ist in einem „Schnellauszug“ auf der Fahrerseite das Material zur Absicherung der Einsatzstelle für einen zügigen Zugriff durch den Fahrzeugführer zu finden. Zudem haben dort Stromaggregat, Kabeltrommeln, Scheinwerfer, Scheinwerferstative, Pylone und mehr Platz gefunden.

Auf der Beifahrerseite befindet sich ein weiterer „Schnellauszug“ mit notfallmedizinischem Material und Gerät – darunter Sauerstoff, Beatmungsgeräte, Defibrillator, EKG, Notfallrucksäcke verschiedener Ausführung für Infusionen und für Intubation. Außerdem ist dort ergänzendes Material für den Patiententransport griffbereit verstaut. Eine schnelle Versorgung von Verletzten ist somit ebenfalls umsetzbar. Durch ein angepasstes Einschubsystem ist weiteres Material von der Seite des Fahrzeuges unkompliziert zugängig. Zusammen mit einem weiteren Einsatzzug und Ergänzungskomponenten ist die Einrichtung und der Betrieb eines so genannten Betreuungsplatz 500 möglich. Somit können die Einsatzkräfte bis zu 500 betroffene Personen nach einem Schadenereignis versorgen und betreuen.

Sieben der zwölf Fahrzeuge sind in die Struktur der Behandlungsplätze 500 des Niedersächsischen Katastrophenschutzes eingebunden, die in den Johanniter-Regionalverbänden Weser-Ems und Südniedersachsen aufgebaut worden sind. Vier Fahrzeuge werden in Niedersachsen und Bremen im kommunalen Bevölkerungsschutz eingesetzt, und ein weiteres Fahrzeug steht an der Johanniter-Akademie Niedersachsen/Bremen in Hannover.

Nur zwei Einsatzkräfte

Fahrzeug und Material des Gerätewagens Sanität sind insgesamt so konzipiert und ausgelegt, dass das Fahrzeug nach Alarmierung mit zwei Einsatzkräften ausrücken kann, um das Material abzuladen und aufzubauen. Durch die umfassende Neukonzeption kann laut Johannitern eine Patientenablage mit deutlich weniger Personal (auch fachfremd) eingerichtet werden. Das Personal für die Versorgung von Patienten fährt die Einsatzstelle mit einem Mannschaftstransportwagen (MTW) an.

Das Fahrzeug selbst ist für den Betrieb der Patientenablage nicht notwendig und kann als zusätzliche Transportkomponente in der Einsatzlogistik eingesetzt werden. Durch das komplett neu gestaltete Beladungskonzept ist den Angaben zufolge umfangreicher, zusammenhängender Stauraum mit Ladebordwand im hinteren Teil des Fahrzeugs geschaffen worden mit Platz für mehrere Europaletten mit Material.

Die Investition in die Zukunft des Bevölkerungsschutzes in Niedersachsen und Bremen hat ein Volumen von rund 2,64 Millionen Euro.